Der Rechtsstaat ist für alle da. Doch dieses hohe Prinzip der Rechtsgewährung offenbart bei näherer Betrachtung Lücken. Die Europäische Union hat ermittelt, dass 40 Prozent der Verbraucher bei Streitwerten unter 500 Euro den Weg zum Gericht meiden.
In Deutschland liegt die Schmerzgrenze sogar noch höher. Im Durchschnitt kämpfen die Bürgerinnen und Bürger erst ab einem Schaden von rund 1.950 Euro für ihr Recht. Darüber hinaus geben 83 Prozent der Deutschen an, Gerichtsverfahren dauerten in ihren Augen zu lange.
Diese Untersuchungen werden durch eine Beobachtung an den Amtsgerichten bestätigt. In Hamburg verzeichnen wir einen Rückgang der Klagen mit einem Streitwert bis zu EUR 2000 um knapp ein Drittel seit 2004. Vor diesen Zahlen dürfen wir nicht die Augen verschließen. Für viele Menschen sind 2.000 Euro eine Menge Geld. Neben den sinnvollen Möglichkeiten einer außergerichtlichen Streitbeilegung, die es bereits zwischen Anbietern und Kunden gibt, muss es auch einen staatlichen Weg geben. Rechtsstaat und Verbraucherschutz müssen unter anderem sicherstellen, dass hier kein Tor geöffnet wird, wo Mängel bei Produkten einkalkuliert werden, weil die Klagewahrscheinlichkeit zu vernachlässigen ist.
Wir müssen uns deshalb fragen, wie wir die Attraktivität des Rechtsstaates und damit auch seine Akzeptanz verbessern können. Einfach, günstig und schnell – das ist der Grundgedanke des Beschleunigten Online-Verfahrens (BOV). Bürgerinnen und Bürger sollen vom Sofa aus ihre Klage per Internet beim Gericht einreichen können.
In Zeiten des permanenten „Onlineseins“ ist es höchste Zeit, dass auch die Gerichte mithilfe von Legal Tech den Weg ins Netz finden. Höherer Komfort reicht aber nicht aus. Deswegen soll das digitale BOV auch zu schnellerer Rechtsprechung führen als das analoge Verfahren.
Mit diesem Ansatz konnte Hamburg auf der letzten Justizministerkonferenz eine Mehrheit der anderen Länder überzeugen. Seitdem arbeitet eine Arbeitsgruppe daran, konkrete Vorschläge für mögliche Gesetzesänderungen in der Zivilprozessordnung zu erarbeiten. Zu klären sind hier insbesondere Fragen der technischen Umsetzung sowie der genauen Ausgestaltung des Verfahrens, um eine Beschleunigung gegenüber den bestehenden Klagemöglichkeiten zu erreichen.
Das Ziel ist, dieses alternative Verfahren für bestimmte zivilprozessuale Klagen an den Amtsgerichten in einem Pilotprojekt zu testen. Die Mittel für die Einführung des BOV sind eine sinnvolle Investition, denn wir stärken damit das Vertrauen der Bürger, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, ihre Rechte in angemessener Weise durchzusetzen.
Foto: Marco Lange