Durch den BREXIT ist vieles in Bewegung gekommen!

Alles, was der EU-Gesetzgeber im Bereich der Justiz in den letzten Jahren verabschiedet hat, wird für Großbritannien nicht mehr bindend sein, sofern nicht ein Austrittsübereinkommen anderes bestimmt.

Bislang hat eine Vielzahl von international tätigen Unternehmen ihre Rechtsstreitigkeiten vor dem weltweit bekannten Commercial Court of London ausgetragen. Die Anwendbarkeit englischen Rechts und Englisch als Verfahrenssprache haben maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen. Doch die Anziehungskraft des Commercial Court of London beruhte auch auf seiner Zugehörigkeit zum europäischen Vollstreckungsraum. Fällt dieser Vorteil für die Entscheidungen des Commercial Court weg, ist der Wettbewerb um den internationalen Rechtsverkehr neu eröffnet. Die Karten werden also neu gemischt!

Deutschland muss sich in diesen Wettbewerb einbringen! Zwar genießen das deutsche Recht und die deutsche Justiz hohes Ansehen. Unsere Rechtspflege wird für ihre Professionalität, Expertise und Effizienz geschätzt. In der Wirtschaft ist das Qualitätssiegel „Made in Germany“ auch eine erfolgreiche Marke.

Im internationalen Rechtsverkehr bleibt „Made in Germany“ aber bislang blass. Wir buhlen im internationalen Rechtsverkehr als gesamtes Land um die Gunst weltweit agierender Wirtschaftsunternehmen. Der neugegründete Netherland Commercial Court in Amsterdam soll bereits dieses Jahr seine Türen für internationale Wirtschaftsverfahren öffnen. Frankreich ist ebenfalls bestrebt, große Wirtschaftsverfahren zum Commercial Court of Paris zu bringen. Vergleichbare Bemühungen werden durch die Schaffung eines „Brussels International Business Court“ unternommen.

Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren und sollten eine Alternative für den Wegfall des britischen Justizstandortes anbieten! Dabei wird es nicht darum gehen, den internationalen Rechtsverkehr durch den Abbau rechtsstaatlicher Garantien zu locken. Gutes Recht erfordert Rechtsstaat! Und rechtsstaatliche Garantien wie der Zugang zu Gerichten und der Grundsatz der Öffentlichkeit sind Errungenschaften, auf die wir stolz sein können!

Doch unser Ziel muss es sein, den Justizstandort Deutschland an die unterschiedlichen Bedürfnisse des internationalen Rechtsverkehrs anzupassen. Eine amtsgerichtliche Nachbarstreitigkeit und ein millionenschweres Wirtschaftsverfahren über verschiedene Landesgrenzen ziehen unterschiedliche Bedarfe nach sich! Unser Blick muss hier über „Englisch als Verfahrenssprache“ hinausgehen. Der punktuelle Umbau des deutschen Justizwesens wird unausweichlich sein! Mut zu Veränderungen ist hier gefragt! Wir sollten zum Beispiel über die Schaffung von erstinstanzlich zuständigen Senaten für internationale Handelsstreitigkeiten an gezielt ausgewählten Oberlandesgerichten nachdenken.

Sie können als spezielle Spruchkörper für große Wirtschaftsverfahren ab einem gewissen Streitwert vorgesehen werden, an die sich Parteien freiwillig wenden können. Ein solches Angebot würde den Zugang zum staatlichen Verfahren attraktiver machen. Für viele Parteien ist ein Rechtsstreit über endlose Instanzenzüge eine große Belastung. Diese Last wäre vom Tisch! Die Parteien großer Wirtschaftsverfahren haben auch berechtigte Geheimhaltungsinteressen, die wir im Blick behalten müssen, ohne das Anliegen rechtsstaatlicher Grundsätze zu vernachlässigen!

Auch hier müssen wir den Justizstandort Deutschland für die Aufgaben der Zukunft gut aufstellen.

Hamburg ist bereit, für die Zeit nach dem BREXIT tatkräftige Unterstützung zu leisten, damit das Projekt eines attraktiven Justizstandortes Deutschland gelingt! Als – selbsternannt – anglophile Hafenstadt in Deutschland eignen wir uns hierzu in besonderer Weise! Die Hansestadt und die Insel teilen nicht nur das charmante Nieselwetter.

Wer schon einmal über den Jungfernstieg flaniert ist, wird auch die hohe Dichte an getragenen Country-Steppjacken im britischen Landhausstil, Tweed, unzählige Teekontore und Perlenohrringe bemerkt haben. Ein Hauch von Downton Abbey weht regelmäßig durch unsere schöne Stadt! Doch Anglophilie wird uns für die anstehenden Aufgaben nicht prädestinieren.

Wichtiger sind unsere weltweit gut vernetzten Wissenszentren und die stark international ausgerichtete Ausbildung unseres Juristennachwuchses, die sich in Institutionen wie dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, der Bucerius Law School sowie der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg widerspiegelt. Flankiert werden diese wissenschaftlichen Institutionen durch 18 nationale Gerichte, an denen über 800 Richterinnen und Richter tätig sind, über 10.000 niedergelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie den Internationalen Seegerichtshof. Eine sprachliche Internationalisierung erfährt zudem das Landgericht Hamburg.

Seit Mai 2018 bietet Hamburg an, mündliche Verhandlungen vor dem Landgericht in englischer Sprache zu führen. Unsere Karten sind also gar nicht schlecht, internationale Handelsstreitigkeiten nach dem BREXIT in Hamburg statt in London verhandeln zu können. Doch sie könnten noch besser sein. Deswegen haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer Tagung im Juni 2018 die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung von Hamburg und Nordrhein-Westfalen beschlossen, um die Gerichts- und Verfahrensstrukturen in wirtschaftsrechtlich bedeutenden Gebieten auf Optimierungsmöglichkeiten zu untersuchen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Der Abschlussbericht soll zur Frühjahrskonferenz 2019 vorgelegt werden.

Foto: Justizministerium Nordrhein-Westfalen

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