Taiwan – Leuchtende Fackel der Demokratie!

Taiwan ist eine sehr lebendige und zugleich wehrhafte Demokratie in Asien. Davon konnte ich mich erneut im Rahmen einer Delegationsreise unter Leitung von unserem Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer überzeugen. Wir waren in einer spannenden Zwischenzeit zwischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und der Einführung des neu gewählten Präsidenten Lai Ching-te (DPP) und der Ernennung der Regierung im Mai dort. Das hat uns viele interessante Einblicke ermöglicht.

Für Reinhard war es die letzte von vielen Reisen als Europaabgeordneter nach Taiwan und für uns eine tolle Gelegenheit, von seiner Erfahrung zu profitieren. Wir, das waren neben mir aus dem Bundestag Agnieszka Brugger und Boris Mijatovic sowie aus dem Europaparlament die finnische Kollegin Heidi Hautala. Ergänzt wurde unsere grüne Crew durch Mitarbeiter*innen aus dem EP und der Heinrich-Böll-Stiftung mit sehr eingehenden China- und Taiwan-Kenntnissen.

Die Wahlen im Januar boten ein spannendes Duell zwischen der regierenden DPP und der oppositionellen KMT.  Die DPP wurde einst gegründet gegen die damalige  Einparteienherrschaft der KMT unter Chiang Kai-shek. Seit 2016 stellte die DPP mit Tsai Ing-Wen die Staatspräsidentin, im Parlament hatte sie eine absolute Mehrheit. Die absolute Mehrheit verlor sie nun und erreichte nur noch 51 von 113 Sitzen. Stärkste Partei wurde mit 52 Sitzen die KMT. Zünglein an der Waage für die Mehrheitsbildung ist die relativ neue TPP mit 8 Sitzen. Angesichts einer Präsidialverfassung ist für die Ernennung einer Regierung durch den Präsidenten zwar keine Mehrheit im Parlament erforderlich, die Regierung braucht aber für den Haushalt und sonstige Gesetz eine Mehrheit im Parlament. In dieser politisch offenen Lage konnten wir eine Vielzahl von hoch interessanten Gesprächen führen: Mit der bisherigen Staatspräsidentin, dem Außenminister, der neu gewählten Vizepräsidentin, dem Parlamentspräsidenten und den Parteiführungen aller drei genannten Parteien. Besonders interessant war dabei, den Vorsitzenden der TPP, Ko Wen-je, zu erleben. Es ist ihm gelungen, relativ viele jüngere Wähler*innen zu gewinnen. Während sich DPP und KMT seit langem darüber streiten, wie nah man China stehen solle, stellte er in den Mittelpunkt, dass es für junge Menschen erschwinglichen Wohnraum braucht. Weitgehend unklar ist aber, wie er seine Schlüsselstellung jetzt nutzen will.

Die Wahlen im Januar standen außerdem wegen zu erwartbaren massiven Versuchen der Einflussnahme durch China unter Beobachtung. Gearbeitet wurde mit der Verbreitung von Falschinformationen und Verleumdungen. Gerichtet waren diese Aktionen darauf, die taiwanesische Bevölkerung zu spalten und die Demokratie insgesamt in Verruf zu bringen. Die Bandbreite war dabei ausgesprochen groß. Einerseits wurde suggeriert, dass die Wahl eine Entscheidung zwischen Krieg und Frieden sei und mit Lei von der China-kritischen DPP die Zeichen auf Krieg stünden. Manche Desinformation betraf aber auch ganz alltägliche Fragen: So wurde z.B. behauptet, dass sich bald der Import von Eiern verknappen würde um die Bevölkerung zu beunruhigen. Für uns war extrem interessant zu sehen, wie in Taiwan mit solchen Attacken umgegangen wird. Dazu führten wir das Gespräch mit einigen NGOs, Wissenschaftlern und – für mich ein ganz besonderes Highlight – mit der Digitalministerin Audrey Tang. Das Factchecking von Falschbehauptungen erfolgte im starken Maße durch die Zivilgesellschaft. Im Ergebnis war es nicht möglich, dass eine solche Meldung kursiert, ohne dass umgehend sehr deutlich von vielen Accounts in den sozialen Medien auf den tatsächlichen Sachverhalt hingewiesen wurde. Auch der Versuch der Spaltung gelang nicht wirklich: Audrey Tang berichtete uns, dass trotz engagiert ausgetragener Konkurrenz die Polarisierung in der Gesellschaft nach der Wahl auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren gefallen ist. Der äußere Druck durch China hat offenbar nur eine noch breitere Einigung des taiwanesischen Volkes bewirkt.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass China im Rahmen einer Salamitaktik versucht, den Ring um Taiwan immer enger zu ziehen. Das zeigt sich durch immer weiter verstärkte Militärmanöver rund um die Insel und durch gezielte Provokationen. Um das besser zu verstehen, hatten wir deswegen auch Gespräche mit taiwanischen Sicherheits- und Militärexperten geführt.

Gerade vor diesem Hintergrund ist so beeindruckend, was Taiwan schafft: Dieses Land mit rund 23 Mio. Einwohner*innen ist in vielerlei Hinsicht eine Musterdemokratie, ein Land, das genau weiß, was es zu verlieren hat und sich insbesondere ausgesprochen geschickt mit wirtschaftlichen Maßnahmen zur Wehr setzt. Das ist jede Unterstützung wert!

Diese Einblicke in dieses spannende Land nehme ich mit in meine Arbeit als Mitglied der deutsch-taiwanischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe und Vorstandsmitglied der Deutsch-Taiwanischen Gesellschaft. Daher ein herzliches Xièxiè für die Gastfreundschaft!

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