Pressefreiheit ohne Pressevielfalt wertlos

…oder: Was der Megxit mit der demokratischen Gesellschaft zu tun hat.

In dieser Woche fanden in Hamburg gleich zwei bedeutende Veranstaltungen von wichtigen Medienhäusern statt, die mich veranlassten, über den Stand der Pressefreiheit nachzudenken.

Am Montag war der Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts. Der große Saal im Hotel Atlantic war gut gefüllt und es fanden sich mal eben Annalena Baerbock und Robert Habeck mit dem kompletten grünen Bundesvorstand sowie zwei Bundesminister*innen ein. Gefeiert hat sich das Abendblatt als erfolgreiche Tageszeitung. Zwar kann sie ihre Auflage im Print nicht halten, schafft es aber, immer mehr Online-Abos zu verkaufen. Auch inhaltlich kann das Abendblatt zufrieden sein: Chefredakteur Lars Haider wurde im vergangenen Jahr zum Blattmacher des Jahres gekürt. (Klar, als kritischer Leser hat man immer was zu meckern, aber Ehre wem Ehre gebührt).

Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts
Beim Neujahrsempfang wird das Hamburger Abendblatt als erfolgreiche Tageszeitung gefeiert.

Am Mittwoch wurde Lutz Marmor, der bisherige NDR-Intendant, verabschiedet. Das war nicht nur ein sehr persönlicher Abend, sondern zugleich eine Leistungsschau des NDR, weil von extra 3 über Frühstück bei Stefanie bis zum NDR Elbphilharmonie Orchester alle unterhaltsame und geistreiche Beiträge leisteten. Unterstrichen wurde die eigene Bedeutung auch durch die komplette Riege der Tagesthemen-Sprecher*innen, die am Rand der Bühne platziert wurden.

Also zwei starke Medienhäuser, auf die Hamburg zufrieden gucken kann.

Mehr als nur eine Meinung

Warum dann also über Pressefreiheit sprechen? Weil das alles überhaupt nicht mehr selbstverständlich ist. Wenige Tage zuvor hat die WELT ihren Hamburg-Teil eingestellt. Bereits im vergangenen Jahr hat die ZEIT ihren wöchentlichen Hamburg-Teil auf einmal im Monat eingeschrumpft. Die Mopo kämpft ums Überleben. Es verbleiben dann im Print neben dem Abendblatt nur noch Bild Hamburg und mit geringer Reichweite die taz (deren treuer Abonnent ich immer noch bin).

Pressefreiheit lebt aber von Pressevielfalt. Es ist gerade das Ringen von Meinungen, das die Medien nicht nur abbilden sollen, sondern das sich auch zwischen den Medien abspielen sollte, worauf es ankommt. Es macht Demokratie und offene Gesellschaft aus, dass es nicht nur eine Meinung und nicht nur eine richtige Lösung gibt. 

Und auch die verbleibenden Medien sehen sich schrumpfenden Etats ausgesetzt.

Was folgt daraus? Zwei Dinge:

Zum einen: Journalismus kostet Geld. Wer Zeitungen, Radio und Fernsehen haben will, muss auch bereit sein, dafür zu zahlen. Ja: Kauft Zeitungen! Gerne auch digital, damit Ihr nicht alle so viel Altpapier produziert wie ich (ich bin da etwas altmodisch). Es ist absolut wichtig, dass es weiterhin einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, der auch weiterhin Geld kosten wird. Deswegen muss auch die Umlagefinanzierung aufrechterhalten werden.

Zum anderen: Journalismus muss qualitativ auch etwas Wert sein. Wir brauchen journalistische Arbeit, die Informationen prüft, sortiert und bewertet. Manche Medien gehen in Zeiten knapper Kassen leider den falschen Weg: Ressourcen für Recherche werden reduziert, dafür wird umso mehr Meinung gemacht. Ganz deutlich: Wenn ich mir nur Meinung angucken will, kann ich mir das auch Facebook und Twitter reinziehen. Zeitungen, die nicht mehr recherchieren, braucht kein Mensch.

Verabschiedung des bisherigen NDR-Intendanten Lutz Marmor
Der NDR verabschiedet den bisherigen Intendanten Lutz Marmor.

Und was hat jetzt der Megxit damit zu tun? Ich finde eine Menge! Neben der Entscheidung, sich von repräsentativen Aufgaben zurückziehen, haben Prinz Harry und sein Frau Meghan angekündigt, künftig nicht mehr über die Presse, sondern über soziale Medien direkt mit ihren Fans zu kommunizieren. Klar, der Umgang der Boulevard-Presse in England mit Prominenten ist alles andere als fair. Trotzdem bedeutet dieser Schritt, sich den kritischen Stimmen der Medien entziehen zu wollen. Das ist in Ordnung, wenn sie tatsächlich ihre öffentlichen Rollen abgeben.

Der Schritt kann aber für Personen des öffentlichen Lebens keinen Vorbildcharakter haben. Auch hier wieder Lehren für beide Seiten: Es gehört dazu, dass Personen, die wichtige Aufgaben haben, kritisch hinterfragt werden. Und für die Medien erwächst daraus die Verantwortung, den Menschen hinter der öffentlichen Person zu respektieren.

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