…und warum uns eine Klarnamenpflicht dabei nicht hilft!

In den vergangenen Tagen gab es wieder viel Anlass, um über Hass und Gewalt in der politischen Auseinandersetzung zu diskutieren: Ein Kommunalpolitiker aus NRW kündigt an, sich eine Waffe zulegen zu wollen, andere geben resigniert auf, weil ihnen die ständigen Bedrohungen und Beleidigungen zu viel werden. Und trauriger Höhepunkt: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle findet Einschusslöcher am Fenster seines Büros. Diese Angriffe und Bedrohungen sind für die Betroffenen schlimm. Sie sind gleichzeitig ein Angriff auf unsere Demokratie.

Demokratie lebt vom Mitmachen. Sie kann nicht überleben, wenn sie nur von denen getragen wird, die wir täglich im Fernsehen sehen. Es braucht ganz viele, die sich vor Ort den Anliegen und Problemen der Bürger*innen stellen, die für gemeinsame konkrete Entscheidungen für unsere Zukunft sorgen und die im Dialog mit den Bürger*innen Rede und Antwort stehen. Wenn die Menschen, die sich hier engagieren, sich zurückziehen, gerät unsere Demokratie in Gefahr.

Deswegen ist es wichtig, dass Sicherheitsbehörden entschlossen handeln, wenn es zu gewalttätigen Angriffen auf Bürgermeister*innen und Abgeordnete kommt. Es ist aber auch wichtig, dem entgegen zu treten, was konkreten Gewalttaten meist vorausgeht: Die Androhung von Gewalt, Bedrohung, rassistische oder sexistische Beleidigung und üble Nachrede. Kurz gesagt: Hate Speech.

Klarnamenpflicht nicht sinnvoll

Jetzt ist in dieser Woche ein Vorschlag wieder aufgewärmt worden, der überhaupt nicht neu ist: Die Klarnamenpflicht für soziale Netzwerke. User*innen sollen demnach nur noch unter ihrem vollständigen Namen im Netz unterwegs sein dürfen. Klingt vielleicht erst mal sinnvoll. Ist es aber nicht. Im Gegenteil. Wir brauchen tatsächlich ganz andere Maßnahmen, die aber nicht ergriffen werden.

Die Erfahrung von Staatsanwält*innen ist, dass die Ermittlungen oft daran scheitern, dass nicht festgestellt werden kann, wer sich hinter einem Account verbirgt. Selbst in Fällen, wo ein Name einer tatsächlich existierenden Person verwendet wird, bestreitet diese oft, tatsächlich den Account zu betreiben. Eine Anklage kommt aber nur in Betracht, wenn hier ein eindeutiger Nachweis geführt werden kann. Deswegen ist erforderlich, von den Betreibern der Netzwerke im Falle eines Straftatverdachts weitere Daten zu bekommen: Verwendete E-Mail-Adresse und IP-Adresse insbesondere. Ausländische Anbieter von Netzwerken verweisen hier auf den Weg der internationalen Rechtshilfe. Das ist ausgesprochen umständlich und auch nur dann ein Weg, wenn die verfolgte Straftat am Standort des Servers auch strafbar ist. Das ist bei der Straftat der Volksverhetzung regelmäßig nicht der Fall. Durch die lange Dauer der Ermittlungen sind Daten dann vielfach schon gelöscht und eine prompte Reaktion sowieso unmöglich.

An diesem Umstand ändert auch die Klarnamenpflicht nichts. Das zeigt sich schon allein daran, dass Facebook als größtes Netzwerk bereits eine Klarnamenpflicht hat und trotzdem die genannten Probleme auftreten. Sie würde sogar Schaden anrichten: Wenn alle im Meinungskampf ihren Namen angeben müssen, dann ist es für Urheber*innen von Hate Speech wesentlich leichter, ihre Attacken auch außerhalb des Netzes fortzusetzen. Die Klarnamenpflicht begründet also eigenen Gefahren und macht Menschen mundtot.

Stattdessen brauchen wir Verpflichtungen der Netzwerkbetreiber, die eine effektive Strafverfolgung sicherstellen. Hamburg fordert deswegen die Bundesregierung in einer aktuellen Bundesratsinitiative auf, Regelungen zu erlassen, die unter Berufung auf das Marktortprinzip dazu verpflichten, die erforderlichen Daten im Fall eines Straftatverdachts herauszugeben.

So wird ein Schuh draus: Statt flächendeckend weniger Anonymität für alle passgenaue Kompetenzen für die Strafverfolgungsbehörden gegen die Wenigen, die sich nicht an unsere Regeln halten.

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