Auf Einladung von Mareike Engels hatte ich am Dienstagabend die Gelegenheit, ganz viel Frauen-Power im Kampf gegen Hate Speech zu erleben. Mareike ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, gleichstellungpolitische Sprecherin und tritt für uns auf Platz 6 der Landesliste und im Wahlkreis Altona an.
Sehr passend war schon der Ort: Wir diskutierten im Eeden, einem neuen feministischen Cocreation-Space in der Stresemannstraße. Dort soll Platz sein für feministische Arbeit und feministische Debatte.
Mareike hatte aber auch zwei tolle Frauen gefunden, mit denen ich diskutieren dufte: Zum einen Renate Künast, Bundestagsabgeordnete und mittlerweile (leider) schon sehr erfahren im Umgang mit Hate Speech, und Kübra Gümuşay, Journalistin und Autorin, die dieser Tage ihr neues Buch „Sprache und Sein“ herausbringt.
Zu dritt konnten wir das Thema sehr gut aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten.
Von ganz wenigen gesteuert
Renate konnte sehr gut beschreiben, wie die Mechanismen bei Hate Speech funktionieren. Es handelt sich um organisierte Kampagnen. Was aussehen soll wie das Aufkochen der Volksseele, ist in Wahrheit sehr genau von ganz wenigen gesteuert. Einzelne Personen werden ausgeguckt, um sie dann gezielt mit Drohungen und Beleidigungen anzugehen. Sie beschrieb auch, wie sie mit Hilfe des Vereins Hate Aid gerichtlich gegen diese Attacken vorgehe.
Das ist nicht ganz einfach, wie sich anhand eines Beschlusses des Berliner Landgerichts zeigte. Das hatte zunächst im großen Umfang sehr stark herabsetzende Bemerkungen als von der Meinungsfreiheit angesehen. Es bestehe ein Sachbezug, weil sich die „Kritik“ auf die Diskussion über Sex mit Kindern beziehe. Außer Betracht gelassen wurde dabei, dass Renate für ein Zitat kritisiert wurde, was von ihr so nie geäußert wurde.
Am Dienstag konnte sie von einem korrigierenden Beschluss des Landgerichts berichten, das nun eine Reihe von Äußerungen jetzt doch als Beleidigung wertet. Kurioserweise zulässig bleibt eine Reihe von Äußerungen, wenn sie mit dem Wörtchen „pervers“ kombinierten, weil sich daraus der Sachbezug ergebe. Renate wird auf diesem Weg weiter kämpfen, was ich sehr sinnvoll finde.
Wir brauchen vor allem mehr Anzeigen
Ich konnte dann nahtlos anschließen und unsere Anstrengungen für konsequente Strafverfolgung in Hamburg und für bessere bundesgesetzliche Rahmenbedingungen darstellte. Wir haben die Koordinierungsstelle „OHNe Hass“ eingerichtet, um die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft, Polizei, NGOs und Medienunternehmen zu verbessern. Wir brauchen vor allem mehr Anzeigen – ein Großteil der in dem Bereich begangenen Straftaten erreicht Polizei und Staatsanwaltschaft nicht. Auf Bundesebene haben wir kürzlich eine Bundesratsinitiative gestartet, um die Betreiber sozialer Netzwerke auch dann zur Herausgabe von Daten von Tatverdächtigen zu zwingen, wenn sie ihren Sitz nicht in Deutschland haben.
Kübra Gümuşay machte die sozialen Wirkungen von Hate Speech anhand von sehr anschaulichen Beispielen sehr deutlich. Durch die ständige aggressive Intervention werden selbstverständliche Haltungen zu umstrittenen Positionen. So komme es zu einer Diskursverschiebung, weil Menschen, die eigentlich etwas ganz anderes diskutieren wollen, ständig mit der Verteidigung der Grundlagen unserer Gesellschaft beschäftigt seien.
Die Diskussion wurde dann noch sehr lebhaft, weil Kübra Gümuşay und ich zum Teil sehr verschiedene Blickwinkel auf dieselben Phänomene hatten. Ist der Rassismus neu? Ist er aggressiver geworden? Ist er nur sichtbarer geworden? Gab es in den 1980ern noch gesellschaftliche Normen, die stark von Rassismus geprägt waren? Nichts für schwarz und weiß. Erst im Nachgespräch bekamen wir das einigermaßen übereinandergelegt: Rassismus ist nicht neu, aber mittlerweile deutlich selbstbewusster. Wir sind gesellschaftlich weitergekommen, dieser Fortschritt ist aber in Gefahr.
Und Grundrechte sind nicht einfach da, sondern müssen immer wieder neu erkämpft werden. Auch wenn es nervt.