Am Mittwochabend hatte ich meine Premiere mit einer online durchgeführten öffentlichen Veranstaltung. Und wie bei so manchem in diesen Tagen fragt man sich: Warum machen wir das eigentlich nicht schon länger so? Die grüne Bundestagsfraktion hatte eingeladen zu einem Fachgespräch zu Mietrecht und Wohnungspolitik in Zeiten der Corona-Krise. Flugs wurden aus den verschiedenen Ecken der Republik ein paar Experten zusammengeschaltet (mit der Quotierung haperte es tatsächlich) und wir haben vor bis zu 55 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert.

Die Moderation übernommen hatten die beiden Bundestagsabgeordneten Canan Bayram und Chris Kühn, als Experten dabei waren:

  • Norman Doukoff, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (OLG) München a.D.
  • RA Henrik Solf, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrech
  • Prof. Tim Drygala, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht der Universität Leipzig

Ausgangspunkt waren die vor Kurzem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Corona-Regeln für das Mietrecht: In Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB, da werden gerne mal befristete Regeln platziert) wird geregelt, dass anders als sonst ein zweimonatiger Mietrückstand nicht zur Kündigung berechtigt, wenn der Mieter glaubhaft machen kann, dass der Mietrückstand auf die Corona-Krise zurückzuführen ist. Das war eine ausgesprochen schnell in das Gesetzgebungsverfahren gebrachte Regelung, die wir uns noch mal näher anschauen wollten.

Grundsätzlich gut, aber…

Die Regelung ist insoweit schon mal gut, als dass sie kurzfristig eingreift und so verhindert, dass Mieter wegen vorübergehender Zahlungsunfähigkeit ihre Wohnung oder ihre Geschäftsräume verlieren.

Es gibt aber ein paar Probleme, die damit zu tun haben, dass Grundprinzipien des Mietrechts durchbrochen werden. Die Regelung gilt ja für alle Mietverhältnisse. Also für Wohnungen genauso wie für Gewerbeimmobilien. Sie gilt auch nicht nur für Menschen, die zu einem Sozialfall werden. Also für die gerade so ausreichende Wohnung für den Single wie für 250 Quadratmeter. Deswegen kann es auch ganz erhebliche Mitnahmeeffekte geben. Das haben wir im Fall Adidas gesehen. Das Unternehmen hatte ja angekündigt, seine Mietzahlungen für seine Filialen einstweilen einzustellen. Etwas abgemildert wird der Mitnahmeeffekt dadurch, dass Verzugszinsen von 4 Prozent anfallen. Wer das Geld aufbringen kann, hat also einen Anreiz, das dem Vermieter auch jetzt zu überweisen.

Das zweite praktische Problem ist, dass die Pflicht zur Zahlung der Miete ja nicht entfällt. Vielmehr bleibt es dabei, es kommen sogar noch – wie erwähnt – die Zinsen dazu. Am Ende der jetzt gewährten Frist bis 30. Juni 2020 können dann also mehrere Monatsmieten aufgelaufen sein, die dann viele Mieterinnen und Mieter auch nicht leicht werden bezahlen können. Deswegen gilt für Wohnungsmieterinnen und –mieter bei Vorliegen der Voraussetzungen der dringende Rat, Wohngeld zu beantragen. Das Wohngeld übernimmt dann ja die Miete, allerdings nicht im Nachhinein. Ich habe deswegen der Bundestagsfraktion den Rat gegeben, dass das Verfahren zur Beantragung von Wohngeld genauso vereinfacht werden sollte wie jenes von ALG II.

Für Gewerbetreibende wird es Darlehensprogramme geben müssen, die dann überbrücken, wenn die Mietrückstände nicht sofort ausgeglichen werden können.

Kleinere Korrekturen sinnvoll

Grundlegende Änderungen dieser Übergangsregelung sind im Moment nicht sinnvoll. Sie konnte jetzt nur so undifferenziert eingeführt werden, wie es auch geschehen ist.

Kleinere Korrekturen empfehlen sich gleichwohl: Zum einen ist nicht eindeutig klar, ob die Rückstände ausschließlich in der Corona-Zeit entstanden sein müssen. Nach dem jetzigen Wortlaut könnte es sein, dass ein Vermieter kündigen kann, wenn der Mieter eine Monatsmiete vor und eine während der Corona-Zeit schuldig geblieben ist. Außerdem empfiehlt es sich, einen Gleichlauf im Darlehensrecht herzustellen. Im Moment besteht für kleine Vermieterinnen und Vermieter die Gefahr, dass ihnen der Darlehensvertrag gekündigt wird, wenn sie kurzfristig nicht leisten könne (bisher gibt es da nur eine Regelung für private Vermieterinnen und Vermieter). Das hätte zur Folge, dass das Mietobjekt an die Bank fällt, was meistens nicht zum Vorteil der Mieterinnen und Mieter ist.

Das war nur ein kleiner Ausschnitt der sehr kundig und kurzweilig geführten Diskussion. Gern mehr davon!

Diesen Beitrag teilen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

Lehren aus Weimar?

Die Bedrohung unserer Demokratie durch die AfD wird immer deutlicher. Die CORRECTIV-Recherchen haben dies noch einmal einer noch breiteren Öffentlichkeit vor Augen geführt. In Deutschland

Weiterlesen »