Warum es gut ist, wenn jetzt die Parlamente entscheiden.

„Stunde der Exekutive“ war die Ansage zu Beginn der Corona-Pandemie. Es war auch vollkommen richtig, weil in der Tat sehr schnell auf eine bis dahin nicht bekannte Gefahr reagiert werden musste.

Es stellt sich nur langsam die Frage, wann denn dieses Stündchen rum sein sollte?

Oder weniger salopp ausgedrückt: Reicht auf Dauer die Legitimation der Regierung weitgehende Grundrechtseinschränkungen durch Verordnung festzulegen?

Ich finde gut, dass jetzt die Koalitionsfraktionen von Grünen und SPD in Hamburg in einen Austausch darüber eingetreten sind, welche Möglichkeiten es gibt, die notwendigen Einschränkungen stärker auf eine parlamentarische Legitimation zu stellen. Um es ganz klar zu sagen: Bei der Diskussion geht es nicht darum, die Politik der Corona-Eindämmung in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Wir müssen damit umgehen, dass die Einschränkungen uns wahrscheinlich noch über lange Zeit begleiten werden und dass es auch noch zu weitergehenden Einschränkungen als gegenwärtig kommen kann. Beides – die Dauer und die Tiefe der Eingriffe – machen die Frage der parlamentarischen Legitimation aber umso dringlicher. Stärkere Legitimation bedeutet auch mehr Beteiligung und Akzeptanz. Und an der Frage der Akzeptanz unserer Regeln entscheidet sich, ob wir die Corona-Krise gut  meistern.

Der Grundsatz in unserer Demokratie ist ja, dass wesentliche Einschränkungen von Grundrechten durch Gesetz oder aufgrund von Gesetzen zu erfolgen haben. Wir Jurist*innen nennen das den „Parlamentsvorbehalt“. Wenn der Gesetzgeber die Ausgestaltung von Eingriffen durch Verordnungen zulässt, dann soll die entsprechende Verordnungsermächtigung möglichst genau benennen, was geregelt werden darf.

Das aktuelle Handeln der Landesregierungen findet seine Grundlage in § 32 Infektionsschutzgesetz. Der ist erheblicher Kritik ausgesetzt, weil er eine sehr weite Ermächtigung bietet – wie sich an der Vielzahl von Maßnahmen in den Eindämmungsverordnungen sehen lässt. Maskenpflicht, Kontaktverbote, Einschränkungen von Versammlungs- und Religionsfreiheit. Angerufene Gerichte haben das aber immer für zulässig gehalten – gerade weil Verlauf der Pandemie und mögliche Gegenmaßnahmen so schwer zu bestimmen waren.

Mittlerweile wissen wir aber wesentlich mehr über die Pandemie. Die Maßnahmen in den Verordnungen sind deswegen auch schon seit Monaten relativ stabil. Es wäre deswegen am Besten, wenn der Bundestag bei der ohnehin notwendigen Novelle des Infektionsschutzgesetzes einen Katalog von Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie aufnehmen würde. Sogenannte Katalogmaßnahmen gibt es auch im Polizeirecht und da sorgen diese für Transparenz und Rechtssicherheit.

Aber auch ohne den Bundestag gibt es eine sehr gute Möglichkeit, zu stärkerer demokratischer Legitimation zu kommen: Art. 80 Abs. 4 unseres Grundgesetzes ermöglicht den Ländern, vom Bund gegebene Verordnungsermächtigungen durch Gesetz zu ersetzen. Das scheint mir gegenwärtig der naheliegende Weg. Baden-Württemberg ist mit seinem Pandemiegesetz diesen Weg schon gegangen. Und zeigt damit gleichzeitig auf, dass es möglich ist, die notwendige Flexibilität zu erhalten. In dem Fall dadurch, dass bestimmte Verordnungen der Bestätigung durch den Landtag brauchen. Denkbar wäre auch, die zentralen Einschränkungen von Grundrechten durch ein Landesgesetz zu regeln und für weitere Fragen dem Senat wiederum eine Verordnungsermächtigung zu geben.

Wichtig ist: Gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir die Demokratie, für breitere Legitimation, die Beteiligung und Akzeptanz schafft.

Die Stunde des Parlaments schlägt jetzt.

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