Mit der Feststellung des amtlichen Endergebnisses an diesem Freitag durch den Bundeswahlausschuss steht das Ergebnis der Bundestagswahl endgültig fest. Für mich der Anlass, mein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft niederzulegen.
17 ½ Jahre war ich jetzt Mitglied in diesem ehrwürdigen Haus, in 7 ½ Jahren davon ruhte das Mandat, weil ich Senator war. Das ist eine lange Zeit! Das merke ich allein daran, dass in der Zeit meine beiden Söhne geboren wurden. Der erste war oft genug selbst dabei, weil meine Frau und ich am Anfang gleichzeitig Abgeordnete waren. Über Treppe rauf, rund um die Kanzleibank und Treppe wieder runter kann er als 15-jähriger heute nur noch müde lächeln.
Ich habe in der Zeit alles erlebt: Opposition gegen die absolute Mehrheit der CDU, schwarz-grün als Senator, Opposition gegen die absolute Mehrheit der SPD, rot-grün wieder auf der Senatsbank und rot-grün als Teil der Regierungsfraktion. Allein diese Aufzählung offenbart: In diese Zeit fielen große Erfolge und deftige Niederlagen.
Ich habe die Debatten im Parlament geliebt und war immer ein besonders engagierter Zwischenrufer. Was oft ja gar nicht so deutlich wird: Es ist nicht der gleiche Spaß als Senator in einer Debatte zu stehen, wie als Abgeordneter. So richtig ins Gefecht gehen – das ist ein Privileg der Abgeordneten. Viel Freude hatte ich in der Rolle als rechtspolitischer Sprecher ab 2004 gegen den Justizsenator Kusch. Gleich in meiner ersten Plenarsitzung – bei mir persönlich mitten in der Klausurwoche des zweiten Staatsexamens – durfte ich ihm ordentlich contra geben. Er war auch ein willkommenes Ziel, weil er sich manches Mal zu wilden Thesen verstieg. Er bereitete mir auch die interessanteste Erfahrung, die ich je in einem Ausschuss hatte: Im PUA Feuerbergstraße erschien er als Zeuge, der vorgab, gar nicht zu wissen, warum man ihn geladen hat und ging hochnervös und mit einem Antrag auf Verhängung von Beugehaft. Dazu kam es dann doch nicht – auch, weil er kurz danach entlassen wurde. Sein Nachfolger – Carsten Lüdemann – war dann wesentlich umgänglicher und bei weitem nicht so ein lohnendes Ziel für Attacken.
In den Jahren 2011-2015 durfte ich dann aus der Opposition heraus die Verkehrspolitik beackern. In der Phase stand nicht die persönliche Auseinandersetzung im Vordergrund – den damaligen Verkehrssenator Frank Horch mochten alle. Vielmehr ging es darum, das grüne Profil zu schärfen. Am Anfang waren viele Grüne nicht sicher, ob grüne Verkehrspolitik wirklich radikal sein soll, am Ende stand das Konzept für die Fahrradstadt Hamburg, das jetzt von Anjes Tjarks kraftvoll umgesetzt – und natürlich weiter entwickelt – wird.
Der besondere Zauber des Parlaments liegt ja darin, dass man mit Menschen ringt, die ganz andere Einstellungen haben. Und oh Wunder: Auch die Menschen aus anderen Parteien haben was drauf. Ich habe in der Bürgerschaft viele sehr engagierte Abgeordnete kennengelernt, mit einigen sind Freundschaften entstanden, die die wechselnden Rollen der Parteien überstanden haben. Jenseits von Lobpreisungen der eigenen Partei eint ganz viele das große Interesse, ein gutes Leben für Alle in Hamburg zu ermöglichen. Das ist oft schwer, weil die Gesellschaft in Hamburg sehr vielfältig ist und wir auf engem Raum große Widersprüche aushalten müssen.
Was ich besonders faszinierend finde: Die häufigen Regierungswechsel in Hamburg laden natürlich dazu ein, der jeweils anderen Partei vorzuhalten, das bei deren Regierungsphase alles viel schlechter lief. Es gibt aber gleich mehrere Prozesse, die von der einen Partei begonnen und dann von der nächsten erfolgreich weiter entwickelt wurden. So etwa bei der Schule: Trotz des verlorenen Volksentscheids zur Primarschule wurde in der Phase von Christa Goetsch die Grundlage für die jetzige Schulstruktur gelegt: Die Einführung des Systems mit zwei Schultypen, die beide zum Abitur führen. Ties Rabe hat diese sehr sinnvolle Struktur durch systematische Lernstandserhebungen zu dem Erfolg geführt, den Hamburg jetzt in bundesweiten Vergleichn verzeichnen kann.
Im Bereich der Verwaltungsmodernisierung war die Verwaltung in langen Jahrzehnten von SPD-Herrschaft hoffnungslos verschnarcht. Unter Ole von Beust und seinem Staatsrat Volkmar Schön wurden viele Veränderungen angestoßen, von denen die Behördenstruktur heute noch profitiert. Was auch daran liegt, dass die SPD ab 2011 eben nicht zum alten Striemel zurückgekehrt ist, sondern konsequent darauf Wert gelegt hat, dass das Ergebnis zählt.
Ich konnte in dieser langen Phase meines politischen Engagements eine Menge lernen. Ich bedanke mich dafür bei allen, mit denen ich das tun durfte und die uns dabei unterstützt haben: Ohne die vielen sehr, sehr hilfsbereiten und engagierten Mitarbeiter*innen bei Fraktion, im Abgeordnetenbüro und in der Bürgerschaftskanzlei würde das alles nicht laufen!
Mach’s gut, BüScha!