Happy Pride! Oder: Über die Justiz als Schutzmacht der Diskriminierten

Grundsätzlich gleich – Für eine bessere Verfassung unter diesem Motto geht dieses Jahr der CSD an den Start. Für mich Anlass mal einen Blick auf die Rolle von Gesetzen und Gerichten bei der Gleichstellung von Schwulen & Lesben, Trans- und Intermenschen zu werfen. Die Forderung bezieht sich ja auf die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Dem wird entgegengehalten, dass ja Artikel 3 ohnehin jede Diskriminierung verbiete und deswegen die einzelnen Anlässe für Diskriminierung nicht einzeln aufgezählt werden brauchen. Ist das richtig? Ja und Nein. Und im Ergebnis nur Nein.
Richtig ist, dass sämtlichen staatlichen Behörden jedwede Diskriminierung verboten ist, dass Gerichte in ihren Entscheidungen gesetzliche Regelungen verfassungskonform so auszulegen haben, dass keine Diskriminierung eintritt und das Bundesverfassungsgericht sogar Gesetze aufheben kann, wenn sie diskriminierende Wirkung haben.

Bundesverfassungsgericht schneller als Bundesregierung

Hier hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit Bahnbrechendes für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben und für die Nicht-Diskriminierung von Trans- und Interpersonen geleistet. Häufig war das Gericht viel weiter als die Politik, weil sich die Justiz beim Schutz von Minderheiten und der Gleichberechtigung auf das Grundgesetz berufen kann und nicht für Mehrheiten in den Parlamenten kämpfen muss. Wenn wir nur auf politische Mehrheiten gewartet hätten, wären wir noch lange nicht bei der Ehe für Alle. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung auf Basis von Artikel 3 entwickelt, ohne dass die Existenz von Schwulen oder Lesben oder Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität irgendwie im Text des Artikel erkennbar waren. Anders im Hinblick auf viele andere Anlässe für die Verfolgung in der NS-Zeit, spiegelte sich die Verfolgung von LGBTQ im Text des Grundgesetzes nicht wider.
Wie auch in anderen Bereichen, etwa der Gleichstellung von Frauen und Männern, sorgte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung für einen grundlegenden Wandel der Rolle der Justiz in gesellschaftspolitischen Fragen. Verstanden sich die Gerichte noch in den 50er und 60er Jahren als Hüter der überkommenen Ordnung, so hat sie heute im starken Maße die Rolle, den Grundrechtsschutz in den Alltag zu tragen. Gerade im Familienrecht war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch durchsetzt mit Rollenvorstellungen von Frauen, die bis unter die Bettdecke reichten, für die es im Grundgesetz keine Stütze gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat nach und nach in vielen Bereichen durchgesetzt, dass die in Artikel 3 GG ausdrücklich benannte Gleichberechtigung von Mann und Frau sich auch in der Rechtsprechung durchsetzt.
Gleiche Rechte auch für Schwulen und Lesben, für Trans- und Intermenschen durchzusetzen war bekanntlich ein wesentlich weiterer Weg. Aber auch hier war das Bundesverfassungsgericht oft Treiber und eben nicht eine konservative Politik, die mehrheitlich der gesellschaftlichen Realität weit hinterherhinkte. Alles gut also in der Verfassung?
Nein: Die Regelung in Artikel 3 Absatz 2 zur Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde wegen einer Übergangsvorschrift erst vier Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wirksam. Auch seinerzeit wurde gesagt, dass es dieser Vorschrift nicht bedürfe, weil schon Artikel 3 Absatz 1 ja jegliche ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verbiete. Und tatsächlich war dieser zusätzliche Absatz die Basis für eine sehr weitreichende und umfassende Umwälzung des Rechts.
Die Aufnahme der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität kann also die Basis für eine sehr grundlegende Entwicklung des Rechts sein. Der Anfang ist gemacht, gerade dank der Gerichte. Den Weg sollten wir aber konsequent weitergehen!

In dem Sinne: Happy Pride!

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