Die Christlich-Konservativen müssen sich wieder finden

Picture of von Till Steffen

von Till Steffen

Aus Eimsbüttel, für Eimsbüttel in den Bundestag

Julia Klöckner, die neue Bundestagspräsidentin, hat für Empörung gesorgt. Die CDU-Politikerin kritisierte in einem Interview, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen öffentlich politisch äußern. Die Kirche in Deutschland solle die Seelsorge der Menschen in den Mittelpunkt rücken, statt sich übertrieben politisch zu engagieren. Sie kritisierte zudem eine Tendenz bei den Kirchen, ihre Stellungnahmen zu aktuellen Themen abzugeben „wie eine NGO“ und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick zu haben. Damit machten Kirchen sich „leider auch austauschbar“.

Was Klöckner außer Acht lässt? Die Kirchen sind seit jeher Teil der politischen Debatte in diesem Land. Sie haben das Recht, sich zu äußern – gerade, wenn es um die Verteidigung der Rechte der Schwachen, der Menschenwürde und der Demokratie geht. Und sie tun dies oft streitbar, unbequem, kritisch – so, wie es in einer offenen Gesellschaft sein sollte. Es ist ein Zeichen demokratischer Reife, wenn Institutionen mit großer gesellschaftlicher Reichweite Stellung beziehen. Wer damit ein Problem hat, hat auch ein Problem mit Pluralismus und Meinungsfreiheit.

Klöckners Aussage wirft Fragen auf. Aber nicht über die Kirche, sondern über die Union. Sie zeigt derzeit wenig Aufgeschlossenheit gegenüber einer kritischen Zivilgesellschaft. Nach dem 551-Fragen-Katalog mit dem Ziel, die Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu beenden, folgt nun der Unmut über Meinungsäußerungen der Kirchen.

Und Klöckner ist mit ihrer Meinung nicht allein in der Union. Sie steht für etwas Größeres. Mit der Entfremdung von den Kirchen verliert die CDU/CSU die eigene gesellschaftliche Basis. Sie war einst tief im christlich-sozialen Milieu verwurzelt. Heute wirkt es, als wolle sie die Stimmen derer gewinnen, die mit Kirche, Werten und gesellschaftlichem Zusammenhalt nichts mehr anfangen können. Ein gefährlicher Weg – gerade in einer Zeit des Aufstieges der europäischen Rechten. Der Ton gegen die Kirchen ist Teil eines beunruhigenden Trends. Wenn sich demokratische Parteien aus Angst vor rechten Stimmungen plötzlich an denen abarbeiten, die noch Haltung zeigen.

Und dabei bleibt es nicht. Zeichen mehren sich, dass CDU-Vertreter sich einer Zusammenarbeit mit der AfD öffnen wollen. Besonders Jens Spahn, der offensichtlich die machtvolle Position des Fraktionsvorsitzenden erhalten soll, macht entsprechende Andeutungen.

Und Friedrich Merz? Er sollte sich einer Sache bewusst sein: Er muss die konservativen Kräfte in diesem Land auf demokratischem Kurs halten. Wer den Kirchen den Mund verbieten will, ist nicht mehr die Volkspartei der Mitte. Und eine Gesellschaft, in der Meinungsvielfalt als „Einmischung“ diffamiert wird, verliert ihre Stärke. Keiner von uns, egal mit welchem Parteibuch, sollte das hinnehmen. 

Und was Merz nun vor allem tun muss, falls seine Regierung überhaupt zustande kommt: die Probleme in diesem Land lösen!

Diesen Beitrag teilen

Diskutieren Sie mit auf Instagram!

Werden Sie Teil unserer Community auf Instagram und beteiligen Sie sich dort mit an den regen Diskussion zu relevanten politischen Themen. 

Das könnte Sie auch interessieren

Unsere neue Rolle in der Opposition

Wenn Friedrich Merz uns in den letzten Wochen eins bewiesen hat, dann dass er so einiges nicht unter Kontrolle hat. Sein politisches Gespür, seinen Kollegen Söder und insbesondere seine Impulsivität.

Weiterlesen »

„Showpolitik“ mit maximalem Schaden

Vorletzte Woche, am 22. Januar, ist es geschehen. Ein Mann afghanischer Herkunft begeht eine fürchterliche Tat, zwei Tote, ein 41-jähriger Mann und ein zweijähriger Junge. Bei dem Gedenken am nachfolgenden

Weiterlesen »